Zwischen Lenkung und Zwang
In der aktuellen klimapolitischen Debatte fällt immer häufiger ein Begriff, der in einem freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat eigentlich befremden sollte: „Erziehung durch Preise“. Gemeint ist damit, dass steigende Kosten – insbesondere für fossile Energieträger – Bürger zu einem umweltfreundlicheren Verhalten „motivieren“ oder gar „zwingen“ sollen.
Diese Form der indirekten Einflussnahme wird vielfach als marktwirtschaftlich legitim dargestellt, ist jedoch in Wahrheit Ausdruck eines grundsätzlichen Konflikts: Wie weit darf ein Staat gehen, um politisch gewollte Ziele durchzusetzen?
Zwischen Anreiz und Drohung
In marktwirtschaftlichen Gesellschaften wird die Preisbildung als zentrales Lenkungsinstrument verstanden. Wenn etwas teuer wird, sinkt die Nachfrage – so die Theorie. Doch diese ökonomische Logik ignoriert die soziale Realität: Viele Bürger haben weder die Mittel noch die Flexibilität, sofort auf erneuerbare Energien oder neue Technologien umzusteigen. Wenn der Staat Preise künstlich in die Höhe treibt – sei es durch Steuern, Abgaben oder Emissionshandel – und dabei kaum tragfähige Alternativen bereitstellt, entsteht keine freie Entscheidung, sondern ein ökonomischer Zwang.
Dieser Zwang bleibt zwar legal, kann aber moralisch und politisch hoch problematisch sein. Wer die Wahl hat zwischen unbezahlbarer Heizung und der teuren Neuanschaffung eines Wärmepumpensystems, befindet sich nicht in einem offenen Markt, sondern in einer Lage, die an Erpressung grenzt – auch wenn keine juristische Nötigung im Sinne des Strafgesetzbuchs vorliegt.
Der Erziehungsstaat – ein Rückfall in alte Muster?
Die Vorstellung, Bürger durch politische Maßnahmen zu einem bestimmten Verhalten zu bringen, ist keineswegs neu. In autoritären Systemen war dies lange gängige Praxis. In liberalen Demokratien hingegen sollte der Staat nicht erziehen, sondern ermöglichen. Er darf Rahmenbedingungen setzen, aber nicht moralisieren oder gängeln. Sobald Politik darauf abzielt, Menschen „zu ihrem eigenen Besten“ zu steuern, nähert man sich dem paternalistischen Modell eines Erziehungsstaates – mit allen damit verbundenen Gefahren für Freiheit und Selbstverantwortung.
Die Klimapolitik ist ein Feld, in dem dieser Widerspruch besonders deutlich wird. Einerseits ist die Bekämpfung des Klimawandels eine legitime und dringliche Aufgabe. Andererseits darf sie nicht dazu führen, dass das Verhältnis zwischen Staat und Bürger in ein hierarchisches Gefälle abrutscht, in dem der Einzelne lediglich als zu steuerndes Objekt betrachtet wird.
Der Begriff „Staat“ – eine sprachliche Täuschung?
Oft ist in der politischen Kommunikation vom „Staat“ die Rede, als handele es sich um eine autonome Entität. Dabei wird übersehen, dass der Staat aus den Menschen besteht, die in ihm leben, ihn finanzieren und legitimieren. Wer also sagt, „der Staat müsse die Menschen erziehen“, sagt im Grunde: Ein Teil der Bevölkerung erzieht den anderen – ein zutiefst undemokratisches Verständnis von Herrschaft.
Demokratie bedeutet nicht, dass eine politische Elite den Auftrag hat, ihre moralischen oder ökologischen Vorstellungen durchzusetzen – sondern dass Entscheidungen im Interesse und mit Zustimmung der Bevölkerung getroffen werden. Politik, die sich von diesem Prinzip entfernt, gefährdet nicht nur ihre eigene Legitimität, sondern auch den gesellschaftlichen Zusammenhalt.
Klimapolitik ist notwendig – doch sie darf nicht zur Disziplinierungspolitik werden. Wer Verhaltensänderungen erzielen will, muss überzeugen statt bestrafen, ermöglichen statt erzwingen.
Der Weg zur Klimaneutralität kann nur gelingen, wenn er als gemeinschaftliche Aufgabe verstanden wird, nicht als Erziehungsprogramm von oben herab.
Die Bürger sind keine Untertanen – sie sind der Staat.